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Es werden Posts vom Januar, 2018 angezeigt.

11. Würdelos

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 Rosemarie Mueller-Wortmann  Argentinien Ich besuchte Maria, 80, die in der Nähe wohnte, ich war 10 Jahre jünger. Wir standen draußen, als eine andere sympathische Frau uns besuchte. „Frau Heber“  stellte mir Maria  vor. Diese fing gleich an zu reden: „Ich muss gleich wieder nach Hause, mein Mann kocht  heute. Das macht er jetzt oft und sehr gut. Ich freue mich darüber“ Maria unterbrach sie  und sprach laut und deutlich zu mir: „Das ist alles gelogen, stimmt kein Wort, Frau Heber ist taub.“ Ich war sprachlos, diese Worte so laut vor Maria zu hören, neben Frau Heber, auch wenn sie das angeblich nicht hören konnte, vielleicht konnte sie von den Lippen ablesen? Ich näherte mich der  Dame. Sie stellte sich höflich vor und fragte mich: „Wie heißen Sie?“ Dabei überreichte sie mir einen Block mit einem Bleistift. Ich schrieb: „Rosemarie, sehr erfreut!“ Sie las und begrüßte mich herzlich. „Guten Tag, Rosemarie, aber jetzt muss ich gehen!“ Sie gab uns beiden die Hand und verabsch

10. Stendhal- Syndrom

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Veronica Mueller   Italien Ich wohne in Florenz und habe gerade  mal wieder   eine befreundete Gruppe Amerikaner bei mir, denen ich die Sehenswürdigkeiten der Stadt zeige: Dom, Kirchen, Paläste, Museen. Alle sind hingerissen. Hoffentlich wird keiner krank davon. Das gibt es nämlich wirklich und heißt „Stendhal-Syndrom“. Krankenhäuser in Florenz sind tatsächlich darauf eingestellt: Zu viel  Kunst, zu viel des Guten und Schönen! Zu viel Euphorie! Rosemarie Mueller-Wortmann Ich selbst war früher mehrfach in der autofreien Stadt Florenz unterwegs: Schauen und Staunen, überall  lange Touristenschlangen, den Dom 463 Stufen hinauf und wieder hinunter, über den Ponte Vecchio zu Fuß und durch mehrere Museen, Michelangelo, David-Statue, Medici- Kapelle, und nachdem ich bereits müde von allem  in den Uffizi zu meiner eigenen Verwunderung minutenlang wie festgenagelt vor der Geburt der Venus  und dem Frühling von Botticelli stand, bekam ich zwar kein Stendhal-Syndrom,  sondern Blasen an

9. Kinderarmut

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Lore, aus „Seniorentreff Feierabend“,  Deutschland Neulich hatte ich ein Gespräch mit einer Bekannten über die Kinderarmut, die in Deutschland immer mehr zunimmt. Doch wo beginnt Armut und was braucht ein Kind, außer Essen, Kleidung und vor allem Sicherheit und Liebe? Meine Bekannte meinte grimmig: „Es gibt keine armen Kinder, nur faule Mütter!“ Nun, so pauschal darf man das nicht sehen, oder? Ich will mir hier kein Urteil erlauben, aber wenn ich zurückdenke an meine, nach heutiger Ansicht wohl armen Kindheit, dann kann ich nur sagen, ich habe es nie so empfunden. Mein Vater hatte sein Erbe durch die Inflation verloren, meiner Mutter wurde ihre gesamte Aussteuer unterwegs im Zug gestohlen. Meine Eltern fingen mit nichts an. Die ersten Möbel zimmerte mein Vater aus leeren Bierkisten. Wir hatten immer genug zu essen, weil meine Mutter aus nichts wunderbare Gerichte zaubern konnte, Kartoffeln waren immer da und Fleisch gab es nur sonntags, wenn überhaupt. Spielzeug ga

8. Ordnungssinn im Wandel

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 Hildegard Kunzi  Deutschland -  Argentinien Ist einem diese Eigenschaft angeboren? Erlernt man sie durch Erziehung, Disziplin? Ich bin mir nie im Klaren darüber geworden. Als Kind war ich nicht sehr ordentlich und habe so manche Ohrfeige und Schläge dafür erhalten. Ich erinnere mich, dass mir einmal ein Strumpf fehlte. Da es im Winter sehr kalt in meinem Zimmer war – keine Heizung, Eisblumen am Fenster- schlief ich natürlich mit Strümpfen. Trotz allen Schimpfens  meiner Stiefmutter und meines eifrigen Suchens blieb der unselige Strumpf verschwunden. Doch siehe da, als es hieß, es gäbe große Wäsche, was im Winter nicht jeden Monat geschah, fand ich ihn beim Federbettabziehen zusammengeknüllt im obersten Zipfel des Bezuges. Wie er dahin gekommen ist, weiß nur er alleine. Dann, als jung verheirate Frau hier in Argentinien – und für viele Jahre – war ich superordentlich. Nirgends durfte ein Stäubchen liegen, ein schief hängendes Bild wurde sofort geradegerückt, es hieß, bei mir